Keine Steuergelder für den Schlachthof in Rottenburg!
Mit über 1250 Menschen, die unsere Petition unterzeichnet haben, konnten wir das Gespräch mit den Entscheidungsträgern gewinnen.
Im Sitzungssaal des Rathauses waren der Oberbürgermeister Stephan Neher, Erster Bürgermeister Thomas Weigel und Finanzbürgermeister Dr. Hendrik Bednarz nebst Andreas Lanio (Stabsstelle Wirtschaftsförderung) sowie die Gemeinderät*innen Horst Schuh (CDU), Herman Josef Steur (SPD) und Ursula Clauß (Grüne) anwesend. Vertreter*innen der Fraktionen FaiR, Die Linke, JA, und F(reie) W(ähler) haben am Gespräch nicht teilgenommen.
Der Oberbürgermeister eröffnete das Gespräch und brachte die Anwesenden auf den aktuellen Stand. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Metzgern, Landwirten und Gemeinderät*innen tendieren zur Überlegung, einen neuen Schlachthof zu bauen. Der Teilort Dettingen und die Riegelwiese nahe Martinsberg stehen als Standort zur Überprüfung.
Ihre Zielsetzung für den Neubau wäre in gleicher Größenordnung wie der bestehende Schlachthof, der die regionale Landwirtschaft und die Metzgerinnung bedient. Es soll viel Wert auf Nachhaltigkeit und Tierwohl gelegt werden. Schlussendlich muss der Verbraucher bereit sein, mehr Geld für Fleisch und Wurstwaren auszugeben. Der Schlachthof in Gärtringen wird zur Imageverbesserung auch auf ein Konzept der Nachhaltigkeit und Bio umsetzen. Man kann davon ausgehen, dass dieser in ca. 2 Jahren wieder betriebsbereit sein wird. So stelle sie sich mittlerweile auch die Frage, ob es für den regionalen Markt überhaupt sinnvoll wäre, zwei Schlachthöfe zu betreiben.
Wir bedankten uns für das Update und sprachen unsere Wertschätzung für die diversen Anstrengungen der Stadt im Bereich der Nachhaltigkeit aus. Unsere Zielsetzung war es, die Perspektive der städtischen Entscheidungsträger um die folgenden Aspekte zu erweitern.
Angesichts mehr oder weniger neuer Erkenntnisse über das Empfinden von Tieren stellten wir in Frage, inwiefern die „Nutzung“/Ausnutzung von Tieren durch den Menschen vertretbar oder eben nicht vertretbar sind. Da Tiere fühlen, Freude und Angst empfinden, Schmerz und Qualen in einem Maße erleiden können, das dem der Menschen in nichts nachsteht, ist die Fleischproduktion aus moralischer Sicht nur in absoluten Notsituationen moralisch zu rechtfertigen, in denen es um Leben und Tod geht. Diese Notsituation ist für nahezu alle Menschen in Deutschland nicht gegeben. Die Stadt Rottenburg sollte ihren Beitrag für eine transparente Aufklärung der Bevölkerung über die ethische Fragwürdigkeit der Fleischproduktion und ihres Konsums leisten, anstatt durch einen Schlachthof diese Industrie zu fördern. Das Recht auf ein Leben in Unversehrtheit und Freiheit auch für Tiere ist durch den Menschen nicht anzutasten.
Darüber hinaus wiesen wir auf die höchst ungünstige Klimabilanz der Fleischproduktion hin, die trotz regionaler Ausrichtung energetisch sehr ineffizient ist und somit den Klimazielen von Kommune, Land und Bund entgegensteht. Aufzucht, Mästung, Transport, Schlachthof, Verarbeitung, Verpackung und viele weitere direkte und indirekte Teilprozesse verursachen Treibhausgasemissionen, die vermeidbar wären. Die Ernährungsumstellung ist in Anbetracht dieser Entwicklung einer der effektivsten Klimaschutzmaßnahmen.
Auch aus gesundheitlicher Sicht ist der Fleischkonsum nicht zu befürworten, wenn gleichzeitig hochqualitative und gesündere pflanzliche Protein- und Eisenquellen zur Verfügung stehen. Dabei geht es nicht nur um das Wohlbefinden der Menschen, sondern auch um die Belastung des Gesundheitssystems durch die zahlreichen Krankheiten, die durch den Konsum tierischer Produkte begünstigt oder hervorgerufen werden. Der Markt für Fleischersatzprodukte wächst dynamisch, weil das Bewusstsein der Bevölkerung für den Wert pflanzlicher, tierleidfreier Ernährung immer stärker ausgeprägt ist. Die Mehrheit der Menschen findet die Fleischproduktion, wie sie jetzt ist, nicht gut.
Aus wirtschaftlicher Perspektive ist eine öffentliche Investition durch die Stadt Rottenburg in ein solches Projekt höchst fragwürdig, wenn man die Trends in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Betracht zieht. Das Landwirtschaftsministerium ist nun in „grüner Hand“, der dazugehörige Minister ist Vegetarier und auch der Koalitionsvertrag der neuen Regierung lässt darauf schließen, dass die Produktion von Fleisch durch strengere Tierschutz- und Hygienestandards aufwändiger wird.
Der Anteil vegetarisch und vegan lebender Menschen wächst in Deutschland rasant an. Selbst ein Traditionsunternehmen wie die Rügenwalder Mühle setzt im Segment pflanzlicher Wurst- und Aufstrichalternativen inzwischen mehr um als mit herkömmlicher Streichwurst.
Auch die Anzahl kleiner Betriebe, die vom regionalen Schlachthof hauptsächlich beliefert werden sollten, ist von 2010 bis 2020 um 47% gesunken, während große Betriebe ihre Bestände weiter vergrößern und woanders schlachten.
Ob sich unter diesen Bedingungen ein Millionenprojekt „Schlachthof Rottenburg“ über mindestens 25 Jahre ohne weitere Zuschüsse von Seiten des Steuerzahlers betreiben lässt, ist fraglich. Eine zukunftsorientierte Investition sieht anders aus.
Im anschließenden Dialog bekundeten die anwesenden Volksvertreter, dass all unsere genannten Punkte auch in ihrem Interesse stünden, doch ein Schlachthof mit diesen Interessen vereinbar sei. Die Diskussion fiel nur recht kurz aus, weil die Stadt- und Volksvertreter in die nächste Versammlung spurten mussten. Wir sind dankbar für die Möglichkeit die ungehörten Stimmen der Tiere in die Politik hinein verstärken zu können, wenngleich wir uns mehr Verständnis und Mitgefühl für die Tiere sowie Solidarität mit den jungen Generationen gewünscht hätten, die in Zukunft in der Stadt Rottenburg, Deutschland und der ganzen Welt mit den Folgen solch kurzsichtiger Entscheidungen leben müssen.
Dieses Gespräch war nur eine von vielen Möglichkeiten für eine bessere Welt für Mensch und Tier einzutreten. Unsere Arbeit wird weitergehen. Man wird von uns hören.
Initiative – Rottenburg für Tiere
07.12.2021